Länderrat 2023: Verantwortung und klimagerechter Wohlstand, Humanität und Ordnung

Beim kleinen Parteitag von Bündnis 90 / Die Grünen in Bad Vilbel ging es ums Wesentliche: Was bedeutet politische Verantwortung in einer Zeit, die uns tagtäglich vor grundlegende Herausforderungen stellt? Wie schaffen wir klimaneutralen Wohlstand und grüne Jobs. Und: Wie gehen wir mit dem drückenden Dilemma in der EU-Asylpolitik um?

„Lass dich nicht verhärten, in dieser harten Zeit.“ Mit dieser Liedzeile von Wolf Biermann appellierte Robert Habeck an die gesamte Partei, den Stil mancher politischen Akteure nicht zu übernehmen. Er steht symbolisch für einen Länderrat, in dem hart über Themen, aber fair in der Sache gestritten wurde. Über zwei große Leitanträge wurde debattiert.

Im Leitantrag „Das Land zusammenhalten: mit klimaneutralem Wohlstand, Gerechtigkeit, Sicherheit“ zeigen wir auf, wie wir klimagerechten Wohlstand und grüne Jobs sichern, Wettbewerbsfähigkeit erhalten – und auf dieser Grundlage mehr Gerechtigkeit schaffen.

Die öffentliche Berichterstattung fokussierte sich vor allem auf den Antrag des Bundesvorstandes zum Asylkompromiss. Während es zum Leitantrag nicht einen Änderungsantrag gab, gab es zum Asylkompromiss dutzende. Entsprechend schwer gestalteten sich die Verhandlungen, entsprechend intensiv war die Debatte. Sie gehörte was den Stil, die Deutlichkeit, die Intensität angeht zu den stärksten der vergangenen Jahre. Die in vielen Medienberichten dargestellte Zerrissenheit war in den Reden genauso zu spüren wie in vielen Gesprächen in der Halle. Und doch war es bei all der Zerrissenheit ein gemeinsames Ringen.

Worum geht es beim Asylkompromiss inhaltlich?

Am 8.6.23 gab es im Rat der Justiz- und Innenminister*innen der EU eine Einigung auf eine Allgemeine Ausrichtung zu den zwei zentralen Bausteinen der GEAS-Reform: Die Asylverfahrensverordnung und die Asyl- und Migrationsmanagement-verordnung.

Zusammengefasst gibt es zwei Kernentscheidungen: Einerseits einen Solidaritäts- und Verteilmechanismus. Mitgliedsstaaten können die Form (Relocation, finanzielle Solidarität, alternative Solidarität etwa durch Kapazitätsaufbau) frei wählen. Es soll eine Mindest-Verteilzahl von 30.000 Personen pro Jahr gelten. Anderseits sollen verpflichtende Grenzverfahren an den EU-Außengrenzen eingeführt werden. Antragsteller*innen mit Schutzquoten des Herkunftslandes unter 20%, die ein Sicherheitsrisiko darstellen oder solche, bei denen Unklarheit über die Identität herrscht, fallen unter diese Regelung, allerdings nur insofern Kapazitäten bestehen. Unbegleitete Kinder unter 18 sind ausgenommen, Familien nicht. Die Dauer der Grenzverfahren darf maximal 12 Wochen betragen.

Deutschland hat dieser Einigung mit einer Protokollerklärung, in der gefordert wird Familien grundsätzlich auszunehmen, zugestimmt.

Wie geht es weiter?

Die Entscheidung geht nun in den sogenannten Trilog, ein politisches Verhandlungstreffen zwischen den drei im gesetzgebenden Prozess der EU involvierten Institutionen – der Kommission, dem Rat und dem Parlament. Insbesondere das EU-Parlament kann hier noch für Änderungen sorgen. Die Erwartungen haben viele Europaabgeordnete bereits gedämpft. Der Länderrat entschied sich, mit Blick auf den Trilog, zu folgendem Beschluss:

„Unter anderem sind folgende Kriterien für uns wichtig: dass Familien mit Kindern grundsätzlich nicht in Grenzverfahren kommen dürfen und Mitgliedstaaten nicht zur Durchführung von Grenzverfahren verpflichtet werden. Wir wollen ein effektives Menschenrechtsmonitoring an den Außengrenzen und eine verbindliche Verteilung in den Mitgliedsstaaten. (…) Auch das Ergebnis werden wir gemeinsam bewerten. Unsere jeweiligen Positionierungen zu den Rechtsakten werden wir davon abhängig machen, ob unter dem Strich Verbesserungen in der Europäischen Asylpolitik und auch für Europa stehen.“

Den vollständigen Beschluss findet ihr hier.

Die – subjektiv – besten Reden des Parteitags waren:

  • Robert Habeck zur allgemeinen politischen Lage: YouTube
  • Annalena Baerbock verteidigt das Deutsche Ja zum Asylkompromiss: YouTube https://www.youtube.com/watch?v=e3ki2Ih7jZQ
  • Aminata Toure kritisiert den Asylkompromiss deutlich: YouTube